Rede zur Eröffnung der Kunst in Dachsbach 2024

Falls Sie die Veranstaltung nicht besucht haben, können Sie hier die Begrüßungsrede von Manfred Hönig nachlesen.

Heute möchte ich etwas über Kunst sprechen, das ist im Rahmen einer Kunstausstellung durchaus angemessen, aber gar nicht mal selbstverständlich.

Dazu haben mich 2 Dinge bewogen. Einerseits wurde letztes Jahr schon mal angeregt, dass ich erkläre was Kunst ist. Natürlich ist das als Thema durchaus kompliziert und kann schnell den Rahmen sprengen, da Kunst als Begriff komplex mit vielen anderen Begriffen verwoben ist, Soziologie, Geschichte, Politik, Ökonomie und Philosophie. Zum anderen hat eine unserer Gastrednerinnen letztes Jahr bei mir einige Gedankengänge ausgelöst. Ihre Geschichte mit der Kunstausstellung in Dachsbach, die sie lange besucht hat, nie was gekauft hat, weil man Kunst ja nicht braucht, irgendwann dann doch was gekauft hat, weil es schön war, obwohl man es noch immer nicht gebraucht hat, wäre in der Ichform die launige Geschichte einer persönlichen Epiphanie, also Offenbarung gewesen, allgemein formuliert mit „Kunst braucht man ja nicht“ entsteht aber durchaus Redebedarf.

In dem schwierigen Verhältnis zur Kunst, das viele haben, begegnen einem immer wieder Äußerungen, die dazu dienen, sich die Kunst vom Leibe zu halten. Braucht man ja nicht, brotlos, Künstler sind faul oder spinnert, oder wie hier letztes Jahr hier zur Kirchweih gedichtet, muss man ja Millionär sein um was zu kaufen. Hier will ich über das „braucht man nicht“ reflektieren, um eine vielleicht eingängigere Vorstellung von dem zu liefern, was Kunst bedeutet.

Das „Brauchen“

Denkt man darüber nach was wir brauchen, was „man“ braucht, muss etwas gemeint sein, was jeder, ohne Ausnahme braucht, Grundbedürfnisse also. Da fallen mir nur zwei ein, Nahrung und Schutz vor der Umwelt. Ohne Nahrung verhungert jeder, ohne Schutz vor den Unbilden der Natur überleben wir auch nicht. Im Folgenden nenne ich das die Zwei B`s, die zwei unabdingbaren Aspekte die jeder braucht.

Im Detail betrachtet: Für Nahrung müssen wir sammeln , jagen, tauschen, in unserem Fall eher letzteres, als Tauschmittel verwenden wir Geld, dafür müssen wir arbeiten, dafür wiederum brauchen wir Geräte, Räume, Transportmittel wie Ochsenkarren oder Teslas oder eine Ausbildung, was weitere Tauschmittel erfordert. Um Nahrung im Alter zu haben brauchen wir mehr Tauschmittel und/oder Kinder, insofern ist auch Sozialkompetenz hilfreich, was auch im sonstigen Überleben nützlich ist. Dasselbe Spielchen können wir mit dem 2. B durchführen, Unterkunft, Kleidung etc.

Am Ende dieser Überlegungen mag es spannend sein, für sein eigenes Leben zu überlegen, wieviel Lebensressource nur für den Erhalt des Lebens aufgewendet wird, ohne Zweifel gibt auf diesem Planeten auch hunderte Millionen Menschen, bei denen sich das ganze Leben nur um die 2 B`s dreht.

Taucht hier Kunst auf in der Welt der 2 B`s? 

In der Tat nein, der Prozess des Überlebens ist weder von Kunst beeinflusst, noch verweist er über sich hinaus auf anderes. Trotzdem gibt es ohne Zweifel Kunst und das schon sehr lange. Wenn man in unserer Entwicklungsgeschichte zurück geht, taucht bildende Kunst in Form von Skulptur und Bild vor circa 40000 Jahren in steinzeitlichen Höhlen auf, das kennen sie alle, Lascaux, Altamira, wobei Skulpturen auch schon wesentlich früher auffindbar sind.

Was ist passiert? Irgendwann war das Überleben gesichert und das Denken wurde komplexer, abstrakter und symbolhafter. Die Erklärung von Welt und eigener Existenz wurde zum Thema, Schöpfungsmythen entstanden, in der Natur wurden geheimnisvolle Wirkmächte postuliert, man benannte Dinge die man nicht sinnlich erfassen konnte, die Welt wurde magischer.

Fotos: Manfred Hönig

Die Weltenschlange, die Urmutter, die Geister der Ahnen, die Verursacher der Naturphänomene, Dinge die man nicht sehen konnte drängten auf sinnliche Verdeutlichung in plastischem und malerischem Abbild. Im Laufe der Zeit wurde dem Abbild selber, der Götterstatue, dem Bild, das zur Verehrung des magischen diente, selber eine magische Wirkmächtigkeit zugeschrieben. Das Abbild der Jagd beschwört den Jagderfolg, das Berühren der Statue bewirkt auf wundersame Weise eine Erfüllung der Fürbitte. Mancher mag geneigt sein zu sagen, naja gut Steinzeit, nicht mehr relevant. Allerdings zieht sich der Gedanke der magischen Wirkmächtigkeit von Kunst und allgemein von Gegenständen durchaus bis in unsere Gegenwart. Wundertätige Madonnenbilder, Buddhastatuen und vieles mehr werden verehrt, erst vor ein paar Jahren habe ich in einem griechischen Kloster die Leute Schlange stehen sehen um eine wundertätige Ikone zu küssen. Von daher kann man durchaus sagen, das die Wurzeln der Kunst in der Auseinandersetzung mit dem „Erhabenen“ liegen. Geht man in der Entwicklungsgeschichte vorwärts in die neuere Zeit, sei noch stellvertretend ein weiteres Beispiel angefügt, um Wurzeln und Entwicklung der Kunst zu erläutern. Letztes Jahr war ich in Iraklion auf Kreta im archäologischen Museum, manche von ihnen werden es kennen, unter dem Gesichtspunkt der Kunstentwicklung unterwegs. Minoische Kultur, Bronzezeit ca. 3000 vor Christus, eben auch mit Funden zur Malerei, selten in dieser Epoche zu finden. Betrachtet man dort zum Beispiel die Figurinen von Göttinnen, fällt neben der anatomischen Korrektheit auch die Qualität der Glasuren und Verarbeitung auf. Zusammen mit der Fülle an Objekten die als Opfergaben gedacht waren, muss man darauf schließen, dass es Kunst und Kunsthandwerk schon als einen bedeutenden Teil dieser Frühkultur gegeben hat. Vieles diente neben dem Verdeutlichen des religiösen auch zum Zelebrieren der Macht, des Herrschertums, das ja bis weit in die Neuzeit gerne verknüpft und abgeleitet wurde vom Prinzip des Göttlichen, von daher speiste sich die Kunst eben auch bis weit in die Neuzeit von der Verknüpfung mit dem „Erhabenen“.

Davon abgesehen fällt es schon in dieser frühen Epoche auf, dass auch Alltagsgegenstände aufwendig bemalt und ornamentiert auffindbar sind. In der Welt der zwei B´s gibt es keine Gründe dafür beispielsweise ein Vorratsgefäß aufwendig zu gestalten, weil die Funktion dadurch ja nicht verbessert wird. Offensichtlich sind hier zwei weitere Aspekte zu finden, Komplexität und Ästhetik. Komplexität bedingt sich irgendwo selber, eine Zivilisation die sich entwickelt, wird in Denken und Ausformung vielschichtiger, ebenso wie ihre Individuen. Zusätzlich ist Komplexität durchaus auch eine Voraussetzung für die Faszination durch Kunst. Ästhetik mag zum Teil eine zeitabhängige Mode sein, aber das Empfinden für Symmetrie, Strukturen und Rhythmus scheint universell. Die Proportionen des goldenen Schnitts finden sich in den Wachstumsverhältnissen von Pflanzen oder Schneckenhäusern wieder, darüber hat schon Goethe geschrieben.

Gehen wir in die Gegenwart…

In heutiger Zeit würde man bei Kunst in der Regel nicht mehr über Erhabenheit sprechen, ich würde das Wort Bedeutung wählen. Kunst hat Bedeutung, weil ihr Thema die Reflexion der Welterfahrung durch den Künstler ist. Das kann auf verschiedensten, manchmal auch sehr verschlüsselten Wegen erfolgen, sich im Bereich der sinnlichen, intellektuellen und psychischen Erfahrung bewegen. Kommt Komplexität hinzu, sowohl in der Bedeutungsebene als auch in der Ausführung, vermag sie zu faszinieren, weil sie uns auch herausfordert in der Begegnung mit ihr. Im Ästhetischen spricht sie unsere Sinne an, das macht sie zu einem Quell der Freude in der Betrachtung. Wenn man diese 3 Aspekte als Variablen ansieht würde ich die Kunst mehr auf der Seite von Komplexität und Bedeutung einordnen, denn nicht jede gute Kunst muss gefällig ästhetisch sein. Nachdem der Übergang von Kunst zum Kunsthandwerk immer ein fließender ist, helfen uns die 3 Kriterien auch hier weiter. Gutes Kunsthandwerk ist komplex und dabei ästhetisch, hat aber im Regelfall nicht den Anspruch eine über sich hinausgehende Bedeutung zu haben.

Um ein Fazit zu ziehen:

Auch wenn man in der Tat Kunst nicht braucht zum existenziellen Überleben, ist es gerade die Verwurzelung der Kunst in der Auseinandersetzung mit der Bedeutung des in seine Existenz hineingeworfenen Lebens, die sie nicht nur spannend macht, sondern dadurch auch unsere Verbindung erhält zu den großen Fragen des Menschseins, woher , wozu, wohin. Darum geht es in der Kunst und dafür schaffen Künstler Kunst. Vielleicht hilft es ihnen als Besucher, den Aspekten von Bedeutung, Ästhetik und Komplexität in der Ausstellung nachzuspüren, um ihr eigenes Verhältnis zur Kunst und Kunsthandwerk zu finden. Vielleicht stellen sie dann auch fest, dass sie Kunst brauchen, weil sie ihnen etwas gibt, das sie in der Welt der 2 B´s nicht finden. Die Existenz zu erhalten ist schließlich etwas ganz anderes, als über die Bedeutung des Existierens zu reflektieren.

Manfred Hönig

Gestatten sie mir abschließend noch ein paar Anmerkungen zu unserer Ausstellung:

Bei der Fülle an Talent und Kreativität die wir versammelt haben, macht es keinen Sinn, alle Teilnehmer einzeln vorzustellen.
Insofern Themengruppen als Oberklammer…

„Stadt und Land“ ist das Thema im Schloss und der Scheune, in dem Sinne, das sich die Künstler-innen mit diesen Bereichen unserer Erfahrung auseinandersetzen und sie in verschiedensten Aspekten beleuchten.

Im Kaffeehaus würde ich „Tod und Leben“ als Klammer sehen, von farbenfroher Malerei oder Plastik spannt sich hier der Bogen bis hin zur ästhetischen Gestaltung von Urnen.

Im Rathaus auch dieses Mal wieder die „Kunst aus Dachsbach“, hier könnte man die Klammer „jung und älter“ setzen, die zeigt, das Kreativität schon mit Kindesbeinen beginnt und nie aufhört!

Kreativität und Kunst beginnt somit ganz früh und hört nie auf, ein guter Schlussgedanke wie mir scheint!

In dem Sinne, eine gute Erfahrung mit unserer Ausstellung Kunst in Dachsbach!